Studie – Paul Keller
In Artikel 7 der Richtlinie werden zwei wichtige Fragen für die Nutzer geregelt: Die eine betrifft die Überschneidung zwischen Urheberrechtsausnahmen und Verträgen, die andere die Überschneidung zwischen Urheberrechtsausnahmen und technischen Schutzmaßnahmen.
Gemäß Artikel 7 Absatz 1 können einige der neuen verbindlichen Ausnahmen und Beschränkungen des Urheberrechts nicht vertraglich außer Kraft gesetzt werden. Mit anderen Worten, selbst wenn ein Nutzer einen privaten Vertrag unterzeichnet, dessen Bedingungen die Rechte des genannten Nutzers zur Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials im Rahmen bestimmter Ausnahmen vom Urheberrecht beschränken, sind diese Vertragsbedingungen nicht gegen den Nutzer durchsetzbar. Unabhängig davon, aus welchem Land der Vertrag stammt oder unter welches nationale Recht der Vertrag fällt, haben Nutzer mit Sitz in der EU weiterhin das Recht auf Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung und müssen Vertragsbestimmungen, die der Ausnahmeregelung entgegenstehen, nicht beachten.
Gemäß Artikel 7 Absatz 2 zweiter Satz müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Nutzer entsprechend einigen der neuen verbindlichen Ausnahmen auf Inhalte zugreifen und sie nutzen können, die durch technische Schutzmaßnahmen geschützt sind. Entscheidend ist, dass dies auch für vertraglich erworbene und über das Internet zur Verfügung gestellte Inhalte gilt (was bei den Ausnahmen gemäß der InfoSoc-Richtlinie nicht der Fall war und weiterhin nicht der Fall ist).
Festzustellen ist, dass mit der DSM-Richtlinie die bestehenden EU-Rechtsvorschriften zu technischen Schutzmaßnahmen nicht geändert werden; das heißt, die Nutzer haben lediglich das Recht, vom Rechteinhaber die Bereitstellung der technischen Mittel zu verlangen, die für die Inanspruchnahme der Ausnahmen erforderlich sind, nicht aber das Recht, die technischen Schutzmaßnahmen selbst zu entfernen. Dies bedeutet in der Praxis, dass technische Schutzmaßnahmen die Nutzung dieser Ausnahmen weiterhin stark einschränken können, was äußerst problematisch ist.
Rasche Entfernung technischer Schutzmaßnahmen
Zur Lösung des Problems sollten die Mitgliedstaaten ein transparentes, schnelles Verwaltungsverfahren einführen, um sicherzustellen, dass die Begünstigten der in Artikel 7 genannten Ausnahmen die technischen Mittel erhalten, um ohne unangemessene Verzögerung (innerhalb von 72 Stunden) auf Inhalte, die durch technische Schutzmaßnahmen geschützt sind, zuzugreifen und sie zu nutzen. Um den Rechteinhabern einen Anreiz zu bieten, einer solchen Verpflichtung nachzukommen, sollten die Mitgliedstaaten erwägen, den Begünstigten der Ausnahmen zu gestatten, die technischen Schutzmaßnahmen so weit zu umgehen, wie es für die Nutzung der durch technische Schutzmaßnahmen geschützten Inhalte erforderlich ist, wenn die Nutzung 72 Stunden nach dem Antrag nicht freigegeben wurde. Alternativ dazu könnten die Mitgliedstaaten erwägen, die Urheberrechteinhaber gegenüber den Nutzern haftbar zu machen, wenn die unter diese Ausnahmen fallenden Nutzungen nicht innerhalb von 72 Stunden nach Antragstellung freigegeben werden.
Umsetzungsperspektive
Die Bestimmung über das Verbot der Aufhebung der neuen Ausnahmen und Beschränkungen durch vertragliche Vereinbarungen ist ebenso eindeutig wie begrüßenswert und lässt den Mitgliedstaaten keinen Ermessensspielraum. Die Bestimmungen zu den technischen Schutzmaßnahmen haben einen sehr viel technischeren Charakter und werden bei der Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten voraussichtlich mehr Diskussionen hervorrufen. Die Absicht des europäischen Gesetzgebers (die Begünstigten der neuen Ausnahmen vor den nachteiligen Folgen der technischen Schutzmaßnahmen zu bewahren) ist zwar sehr begrüßenswert, doch viel wird von der Bereitschaft der nationalen Gesetzgeber abhängen, ausreichende Anreize für Rechteinhaber zur Entfernung von technischen Schutzmaßnahmen auf Antrag der Begünstigten der Ausnahme zu schaffen.
Die Möglichkeit, die im Rahmen dieser Ausnahmen gewährten Rechte ohne Beeinträchtigung durch technische Schutzmaßnahmen auszuüben, ist für Forschungs-, Bildungs- und Kulturerbeeinrichtungen trotz ihrer scheinbar technischen Natur äußerst wichtig. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung von Sammlungen und der vermehrten Nutzung von digitalem Material in Bildung und Forschung muss mit einer Zunahme der Verbreitung technischer Schutzmaßnahmen gerechnet werden. Vorausschauende nationale Gesetzgeber müssen daher sicherstellen, dass die Bestimmungen zu den technischen Schutzmaßnahmen in Artikel 7 der Richtlinie so umgesetzt werden, dass die Begünstigten der neuen Ausnahme wirkliche Einflussmöglichkeiten erhalten.