Die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in den Mitgliedstaaten, die 2019 verabschiedet wurde und die wir vor allem mit Blick auf Deutschland, aber auch europaweit auf diesem Blog verfolgt und eingeschätzt haben, sollte eigentlich abgeschlossen sein.
Jetzt müsste deren Anwendung in den Mitgliedstaaten ihre Praxistauglichkeit erweisen. Doch die Rechtsunsicherheit scheint eher gewachsen als ausgeräumt, wie aktuelle Fälle in Deutschland, was zumindest eine eigenständige Umsetzung vorgelegt hat, zeigen. BILD übernahm z. B. einfach Wahlsendungsausschnitte von ARD und ZDF am 26. September, was die gebührenfinanzierten öffentlichen Sender nicht einfach so stehen lassen wollen.
Doch was in Deutschland gerade an konkreten Fällen debattiert wird, sieht in 23 EU Ländern völlig anders aus. Sie bekamen nämlich von der Kommission im Juli ein Vertragsverletzungsverfahren, weil sie bisher eigentlich gar nichts umgesetzt haben, was die EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2019 vorsah. Und was sie so vorsah, ist immerhin bis heute auch sehr umstritten, wie wir auch hier in unserem Blog dargestellt haben. Überdies ist das forsche Vorgehen der Kommission auch etwas erstaunlich, veröffentlichte die Kommission selbst ihre Umsetzungsrichtlinien erst wenige Tage vor Ablauf der Umsetzungsfrist.
Warum bleibt es um diese politische Widersprüchlichkeit der Europäischen Rechtssetzung eigentlich relativ still? Da könne auch wir hier nur Vermutungen anstellen. Einmal ist das Thema Urheberrecht offensichtlich wieder von der Straße zurück in die Fachpolitischen Kreise gekehrt und erweist sich als zu kompliziert, um dauerhaft in einer schnellen, verständlichen medialen Aufarbeitung präsent zu sein, obwohl uns der Zugang zu Information, Bildungs- und Kulturinhalte und Grundrechte in der (digitalen) Kommunikation eigentlich alle angehen.
Andererseits hat die Kommission mit ihren Vorschlägen zum Digital Service Act und zum Digital Market Act im Dezember 2020 gewisser Hinsicht massiv nachgelegt, wenn es zumindest um die Auseinandersetzung mit den großen Plattformen geht. Innerhalb des Digital Service Acts sind die Urheberrechtsregelungen erneut aufgerufen und auch Inhalt der Gesetzesvorschläge, denn hier stoßen wir wieder auf das Management des upgeloadeten Inhalts auf großen Plattformen, auf Löschfristen und Vieles, was uns schon mit der Urheberrechtsrichtlinie beschäftigte, nämlich wer wie entscheidet, welche Inhalte illegal sind oder vielleicht „nur“ schädlich und damit dem Jugendschutz unterliegen sollten, weil Journalist*innen zum Beispiel aus Kriegsgebieten oder von einem Terroranschlag berichten.
Neben diesen riesigen Gesetzesvorhaben, die derzeit in der Diskussion in vielen Ausschüssen im Europaparlament sind, gibt es jedoch auch ganz konkrete neue Debatten, um den Umgang mit dem EU-Urheberrecht, zumindest in Form von Initiativberichten des Kulturausschusses im Europaparlament. So stand gleich nach der Sommerpause die Abstimmung eines Berichts zum „Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung der Erholung und der Resilienz in der EU“, den die Kommission vorgelegt hatte, auf der Tagesordnung des Kulturausschusses. In der Debatte zu diesem Aktionsplan, die vor allem im Juli im Ausschuss geführt wurde, hatte man streckenweise das Gefühl, wir erfinden das Fahrrad gerade neu und allen Streit um Uploadfilter oder um die nötigen Ausnahmen vom Urheberrecht für Bildung, Kultur und Wissenschaft hätte es nie gegeben.
Inzwischen hält der Bericht – nach der Einarbeitung vieler Änderungsanträge – einen sachlichen Ist-Stand fest, der auch auf die Krux einging, dass 23 Länder noch nichts umgesetzt haben und andererseits die Kommission 2 Jahre lang keine Richtlinien zur Umsetzung verabschiedete. Dieses Wirrwarr muss jedoch einen durchaus sinnvollen Aktionsplan nicht ausbremsen, in dem Geschäftspraktiken kritisiert werden, die den Urhebern schlechte Verträge bescheren oder zu wenige Regelungen für gemeinnütze Nutzungsarten verbindlich festgehalten werden. Der Bericht bündelt viele offene Fragen und ist daher durchaus ein interessantes Dokument. Seine politische Reichweite, die Fragen auch mit Erfolg anzugehen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Im Oktober hat auch das gesamte Europaparlament dem Bericht zugestimmt, doch die offenen Fragen liegen damit alle weiterhin auf dem Tisch.
[…] wir wegen der Pandemie keine Fachgespräche und Konferenzen im klassischen Sinne ansetzen konnten. Den Stand der Dinge fasst Konstanze Kriese in diesem aktuellen Artikel zusammen und verweist auch darauf, wo die Urheberrechte in der aktuellen Gesetzgebung der EU wieder […]