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Studie – Paul Keller
Das geltende EU-Recht räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, eine Ausnahme „in Bezug auf bestimmte Vervielfältigungshandlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen oder von Archiven, die keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen“, vorzusehen.
Gemäß dieser Bestimmung beziehen viele Länder die Vervielfältigung für Erhaltungszwecke eindeutig in ihre Ausnahmen zum Urheberrecht ein (siehe eine vollständige Liste unter CopyrightExceptions.eu), entweder ausdrücklich in Form einer Ausnahmeregelung für Erhaltungszwecke oder als Teil einer allgemeineren Ausnahme für Bibliotheken und andere Einrichtungen des Kulturerbes ähnlich dem Text der EU-Rechtsvorschrift. Es bestehen jedoch weiterhin implizite oder explizite Beschränkungen für die Art der Erstellung von Vervielfältigungen sowie zu den Formaten des Originals oder der neuen Fassung und zur Anzahl der erstellten Vervielfältigungen. All dies dient dazu, die Möglichkeit, die Digitalisierung – d. h. die Erstellung digitaler Vervielfältigungen und ihre geeignete Speicherung – zur Wahrnehmung der Aufgabe von Einrichtungen des kulturellen Erbes zu nutzen, einzuschränken. Ein weiteres Problem bei der Digitalisierung besteht darin, dass die dafür benötigten Geräte häufig teuer sind und es angesichts der Häufigkeit der Nutzung nicht unbedingt sinnvoll ist, dass jede Einrichtung des kulturellen Erbes eigene Geräte besitzt. Infolgedessen werden häufig Partnerschaften oder Netze – auch grenzübergreifend – gebildet, die eine effizientere Nutzung öffentlicher Gelder sowie ein besseres Ergebnis (d. h. mehr Werke, die für die Zukunft erhalten werden) ermöglichen. Ebenso kann es nach der Erstellung einer Kopie sinnvoll sein, Kopien auf Servern in mehreren Ländern zu speichern, um das Risiko eines dauerhaften Verlustes zu minimieren.
Alle grenzübergreifenden Anwendungen von Ausnahmen und Beschränkungen wurden in der Vergangenheit jedoch durch die Uneinheitlichkeit der Rechtsvorschriften und die Unsicherheit über deren Rechtmäßigkeit im Allgemeinen behindert. Die neue verbindliche Ausnahmeregelung für Erhaltungszwecke, die mit der DSM-Richtlinie eingeführt wird, trägt diesem Problem Rechnung.
Artikel 6 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine Ausnahme vom Urheberrecht und verwandten Schutzrechten in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorzusehen, damit Einrichtungen des Kulturerbes Kopien von in ihren Sammlungen befindlichen Werken zum Zwecke der Erhaltung anfertigen können.
Dies ist nicht nur ein Fortschritt in Bezug auf die Wirkungskraft der Ausnahme (statt einer Option zur Einführung der Ausnahme besteht nun eine Pflicht der Mitgliedstaaten), sondern stellt auch sicher, dass es für Bibliotheken, Archive und Museen keine unnötigen Einschränkungen bei der Durchführung dieser Vervielfältigung gibt. Darüber hinaus wird klargestellt, dass grenzüberschreitende Tätigkeiten zum Zwecke der Erhaltung, zum Beispiel in Form von Netzwerken oder der gemeinsamen Nutzung von Geräten, rechtmäßig sind.
Beim Umsetzungsprozess muss dennoch sichergestellt werden, dass für Einrichtungen des Kulturerbes möglichst wenig Einschränkungen im Hinblick auf die Art der Werke, die vervielfältigt werden können, oder durch technische Schutzmaßnahmen bestehen, die auf die zu erhaltenden Werke angewendet werden.
Während des Gesetzgebungsverfahrens, das zur Richtlinie führte, hatten die Einrichtungen des Kulturerbes argumentiert, dass der Geltungsbereich der Ausnahme ausgeweitet werden sollte, damit die Einrichtungen Vervielfältigungen für alle internen Zwecke im Zusammenhang mit ihrem öffentlichen Auftrag anfertigen können. Auch wenn dieser Wunsch im endgültigen Text der Richtlinie nicht berücksichtigt ist, sollten die Mitgliedstaaten doch bedenken, dass es neben der Erhaltung viele weitere berechtigte Gründe (z. B. für die Verwaltung, die Katalogisierung, die Bibliografie oder für Versicherungszwecke) für Einrichtungen des Kulturerbes gibt, Vervielfältigungen anzufertigen. Die Mitgliedstaaten sollten daher Möglichkeiten prüfen, über diese enge Fokussierung auf die Erhaltung hinauszugehen (siehe den Abschnitt zu Artikel 25 unten).
Allgemein stellt die neue Ausnahme einen Fortschritt für Einrichtungen des Kulturerbes
dar. Es gibt jedoch einige damit zusammenhängende Probleme, die sich auf den Nutzen
der Ausnahme auswirken können:
Rasche Entfernung technischer Schutzmaßnahmen
Die Ausnahmeregelung für Erhaltungszwecke fällt unter Artikel 7, demzufolge die Bestimmungen der InfoSoc-Richtlinie, die die Mitgliedstaaten verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die technischen Schutzmaßnahmen die Begünstigten nicht an der Ausübung ihrer Rechte im Rahmen der Ausnahmen hindern, auch für diese neue Ausnahme gelten.
Technische Schutzmaßnahmen sind eine Tatsache, mit der Einrichtungen des Kulturerbes zunehmend umgehen müssen und auf die sie stoßen, wenn sie Vervielfältigungen für Erhaltungszwecke im Rahmen der Ausnahme anfertigen. Bedauerlicherweise werden die Bestimmungen der InfoSoc-Richtlinie zu technischen Schutzmaßnahmen durch die Richtlinie nicht geändert. Die Nutzer können die technischen Schutzmaßnahmen nicht entfernen und müssen warten, bis sie die Rechteinhaber dazu in die Lage versetzen, um ihre im Rahmen der Ausnahmen vorgesehenen Rechte wahrzunehmen.
Dies wird zu Problemen führen, wenn es zu langen Wartezeiten für Einrichtungen des Kulturerbes kommt, die Erhaltungsarbeiten ausführen wollen und jedes Mal, wenn sie auf eine technische Schutzmaßnahme stoßen, freiwillige Änderungen beantragen müssen. Ein solches Verfahren muss zumindest schnell und einfach sein, damit Einrichtungen des Kulturerbes keine unangemessenen Verzögerungen entstehen. Um dies zu erreichen, sollten die Mitgliedstaaten festlegen, dass technische Schutzmaßnahmen von den Rechteinhabern binnen 72 Stunden nach einer Beantragung entfernt werden müssen (siehe auch den gesonderten Abschnitt zu Artikel 7 unten).
Erschöpfendes Verzeichnis von Werken in ständigen Sammlungen
Eine der wichtigsten Bedingungen der Ausnahme besteht darin, dass sie nur für „Werke und sonstige Schutzgegenstände“ gilt, „die sich dauerhaft“ in den Sammlungen einer Einrichtung des Kulturerbes befinden. In Erwägung 29 wird präzisiert, dass darunter Umstände zu verstehen sind, unter denen eine Einrichtung des Kulturerbes „Eigentümerin bzw. dauerhafte Besitzerin“ von Werken und sonstigen Schutzgegenständen ist, beispielsweise, weil die Einrichtung das Werk direkt besitzt, eine Lizenzvereinbarung geschlossen hat oder Dauerleihgabe- oder Pflichtexemplarregelungen bestehen. Einrichtungen des Kulturerbes haben auf zwei Bereiche hingewiesen, in denen eine gewisse Unsicherheit besteht: (1) Werke, die zwar lizenziert, aber auf Servern Dritter gespeichert sind, zu denen die Einrichtung gemäß den Lizenzbedingungen Zugang erhält, und (2) Werke, die sich aufgrund langfristiger Leihverträge bei ihnen befinden. In beiden Fällen sollten die Mitgliedstaaten klarstellen, dass diese Werke in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen.
Offene Liste der Verwendungszwecke
Die neue Ausnahme gestattet die Vervielfältigung, unabhängig vom Format oder dem Medium der Reproduktion, mit den geeigneten Instrumenten, Mitteln oder Technologien, wobei lediglich vorgeschrieben ist, dass jede Vervielfältigung nur in dem für den Zweck der Erhaltung notwendigen Ausmaß erfolgen darf. In den Erwägungen wird die Digitalisierung als ein besonderes Beispiel für diese Erhaltung genannt. Während des Gesetzgebungsprozesses hatten die Einrichtungen des Kulturerbes argumentiert, dass die Ausnahme auf alle internen Nutzungen im Zusammenhang mit dem von den Einrichtungen wahrgenommenen Auftrag im öffentlichen Interesse ausgeweitet werden sollte. In diesem Sinne sollten die Mitgliedstaaten eine weitgefasste Definition von Erhaltung beschließen, um andere relevante Tätigkeiten wie die Katalogisierung oder Bibliografie aufzunehmen. Dies könnte damit begründet werden, dass jede Art der Vervielfältigung, die mit dem Überleben des Werks verbunden ist, zulässig sein sollte.
Gemäß Artikel 25 der neuen DSM-Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten zudem umfassendere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, die mit den Ausnahmen vereinbar sind, die in der Datenbank-Richtlinie und in der InfoSoc-Richtlinie vorgesehen sind. Der Spielraum, den diese Bestimmung bietet, sollte von den Mitgliedstaaten genutzt werden, um andere Vervielfältigungen für interne Zwecke oder Web-Harvesting durch die Einrichtungen des Kulturerbes zu ermöglichen (siehe den Abschnitt zu Artikel 25 für weitere Einzelheiten).
Umsetzungsperspektive
Die neue, mit Artikel 6 der Richtlinie eingeführte Ausnahme war einer der am wenigsten strittigen Aspekte des Richtlinienvorschlags. Der Artikel ist klar formuliert, er bietet deutliche Vorteile für Einrichtungen des Kulturerbes, und die durch die Ausnahme erlaubten Nutzungen verursachen keinen erheblichen Schaden für die Rechteinhaber. Die Umsetzung des Artikels dürfte daher nicht zu größeren Diskussionen führen. Berücksichtigen die nationalen Gesetzgeber die oben genannten Punkte, können sie den Nutzen für Einrichtungen des Kulturerbes und deren Nutzer maximieren.