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Studie – Paul Keller
Artikel 14 der Richtlinie ist eine der sehr wenigen eindeutig guten Bestimmungen der neuen Urheberrechtsrichtlinie der EU. Mit dem Artikel soll sichergestellt werden, dass Vervielfältigungen gemeinfreier Werke der bildenden Kunst nicht durch ausschließliche Rechte geschützt werden können und infolgedessen nicht mehr in die Gemeinfreiheit fallen. Hier wird zum ersten Mal versucht, mit EU-Recht die Gemeinfreiheit zu schützen.
Mit diesem gesetzgeberischen Eingriff wird auf die relativ weit verbreitete Praxis der Museen reagiert, ausschließliche Rechte für digitale Vervielfältigungen von gemeinfreien Werken zu beanspruchen, die sich in ihren Sammlungen befinden und die sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. In der Praxis hat dies bereits dazu geführt, dass spanische Museen das Urheberrecht für Gemälde niederländischer Meister beansprucht haben, die seit 350 Jahren tot sind, und dass deutsche Museen Wikipedia verklagt haben, weil es Vervielfältigungen gemeinfreier Werke als Teil von Wikimedia Commons speichert. Auch wenn es auf den ersten Blick unlogisch erscheint, dass ein Museum in der Lage sein sollte, die Rechte für Kunstwerke längst verstorbener Künstler zu besitzen, beruhen diese Ansprüche doch auf geltendem Recht. Um ein Werk urheberrechtlich schützen zu können, muss im Allgemeinen nachgewiesen werden, dass es „die eigene geistige Schöpfung des Urhebers“ darstellt. Es gibt jedoch auch eine weitere Kategorie urheberrechtsähnlicher Rechte („verwandte Schutzrechte“ genannt), die in einigen Mitgliedstaaten bestehen. Bei diesen Regelungen werden ausschließliche Rechte Urhebern fotografischer Werke gewährt, die nicht das Kriterium der Originalität erfüllen, das für den Urheberrechtsschutz bestehen muss. [1]Weitere Einzelheiten enthält die Studie von Thomas Margoni aus dem Jahr 2015. Verwandte Schutzrechte entstehen auch dann, wenn eine Vervielfältigung nichts anderes als eine exakte fotografische Kopie eines Werkes ist. Während das Urheberrecht die Originalkunstwerke schützt, schützen diese verwandten Schutzrechte einfache Kopien.
Da Museen begonnen haben, in ihren Sammlungen befindliche Werke online verfügbar zu machen, ist die Praxis, sich auf verwandte Schutzrechte zu berufen, um die Wiederverwendung nicht-originaler Vervielfältigungen gemeinfreier Werke einzuschränken, umstritten. Sowohl im Public Domain Manifesto als auch in der Europeana Public Domain Charter wird gefordert, dass alles, was in analoger Form gemeinfrei ist, in digitaler Form gemeinfrei bleiben muss. Die überwiegende Mehrheit der Museen hat zwar stets im Sinne der Erweiterung der Gemeinfreiheit gehandelt und Vervielfältigungen gemeinfreier Werke ohne Einschränkungen der Wiederverwendung zur Verfügung gestellt, doch einige wenige Museen aus den Mitgliedstaaten, die den Schutz nicht-originaler Vervielfältigungen gemeinfreier Werke zulassen, machen weiterhin Rechte an diesen Vervielfältigungen geltend.
Aus der Sicht der Nutzer, die versuchen, den Urheberrechtsstatus dieser Vervielfältigungen gemeinfreier Werke zu erkennen, war dieses uneinheitliche rechtliche Umfeld kaum durchschaubar. Könnten Werke des gleichen Urhebers durch urheberrechtsähnliche Rechte in einem Mitgliedstaat geschützt werden, in einem anderen aber gemeinfreie Werke sein, gäbe es bei der Online-Nutzung und bei der grenzübergreifenden Nutzung der Vervielfältigungen keine Rechtssicherheit. Die Harmonisierung des urheberrechtlichen Schutzes dieser Vervielfältigungen in allen EU-Mitgliedstaaten war daher notwendig, um das Recht der Nutzer zu schützen, die Werke der bildenden Kunst zu nutzen, die gemeinfrei geworden sind.
In den meisten Mitgliedstaaten werden die nationalen Gesetzgeber keine Notwendigkeit sehen, bei diesem Artikel tätig zu werden, da die nationalen Gesetze und die Rechtsprechung keinen Schutz für originalgetreue Vervielfältigungen gemeinfreier Werke vorsehen. Mitgliedstaaten, die den Schutz nicht-originaler Vervielfältigungen anerkennen [2]Der Untersuchung von Thomas Margoni zufolge betrifft dies Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, Italien, Spanien und Schweden, müssen Artikel 14 in ihre nationalen Urheberrechtsvorschriften aufnehmen. Dies bedeutet mindestens, dass originalgetreue Vervielfältigungen [3]Bei der Diskussion ging es zwar größtenteils um fotografische Vervielfältigungen zweidimensionaler Werke wie Gemälde, allerdings gilt der Artikel für alle nicht-originalen Vervielfältigungen … Continue reading gemeinfreier Werke der bildenden Kunst vom Schutz durch bestehende verwandte Schutzrechte ausgenommen werden müssen.
Artikel 14 im Allgemeinen
Artikel 14 ist in seiner derzeitigen Form das Ergebnis eines Kompromisses zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat in einer späten Phase des Gesetzgebungsprozesses. [4]Er geht auf Bemühungen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für den offenen Zugang zu Wissen und Kultur einsetzen, um die Aufnahme einer allgemeinen Klausel zum Schutz der … Continue reading Er stellt zwar einen wichtigen Fortschritt beim Schutz der Gemeinfreiheit vor Aneignung dar, die Beschränkung auf „Werke der bildenden Kunst“ ist jedoch nicht sinnvoll. Der Grundgedanke, dass eine nicht-originale Vervielfältigung eines gemeinfreien Werks nicht durch ausschließliche Rechte geschützt werden sollte, gilt ebenso für alle anderen Arten von Werken. Die Mitgliedstaaten sollten bei der Umsetzung von Artikel 14 in nationales Recht daher vorsehen, dass nicht-originale Vervielfältigungen aller Arten gemeinfreier Werke nicht unter das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte fallen.
Fußnoten
↑1 | Weitere Einzelheiten enthält die Studie von Thomas Margoni aus dem Jahr 2015. |
↑2 | Der Untersuchung von Thomas Margoni zufolge betrifft dies Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, Italien, Spanien und Schweden |
↑3 | Bei der Diskussion ging es zwar größtenteils um fotografische Vervielfältigungen zweidimensionaler Werke wie Gemälde, allerdings gilt der Artikel für alle nicht-originalen Vervielfältigungen gemeinfreier Werke der bildenden Kunst, einschließlich 3D-Modellen/-Scans von Skulpturen. |
↑4 | Er geht auf Bemühungen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für den offenen Zugang zu Wissen und Kultur einsetzen, um die Aufnahme einer allgemeinen Klausel zum Schutz der Gemeinfreiheit in die DSM- Richtlinie zurück. |